Was Schärfentiefe ist, sollte beim Fotografieren bekannt sein? Ich weiß, daß nicht jeder Besitzer einer Kamera Kenntnis hat, was Schärfentiefe bedeutet oder wie sie sich auswirkt. Für mich gehört das zum Grundwissen der Fotografie. Ohne dieses Wissen, wird man kein Foto gezielt planen und umsetzen können. Das gilt in der Makrofotografie noch viel mehr. Im Nahbereich hat man sehr häufig mit zu wenig Schärfentiefe zu kämpfen.
Die Schärfentiefe ist der Bereich im Foto, welcher scharf abgebildet wird. Wem diese Erlärung zu kurz ist, kann gerne alle Details auf Wikipedia nachlesen. Je näher man an ein Objekt heran geht, desto geringer wird die Schärfentiefe. Darüber hinaus gibt es noch andere Faktoren, welche die Schärfentiefe beeinflussen können. Diese ignoriere ich hier bewusst. Für mich spielen bis dahin die anderen Faktoren erst einmal keine Rolle. Nun gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, um die Schärfentiefe zu erhöhen. Logischerweise ist das nur notwendig, wenn der Fotograf das für erforderlich hält und mit den gewählten Kameraeinstellungen, nicht den gewünschten Bildbereich scharf abgebildet bekommt.
Mehr Schärfentiefe durch Abblenden
Am häufigesten wird sicherlich das Abblenden zur Erhöhung der Schärfentiefe genannt. Warum? Weil es die einfachste Methode ist. Ein, zwei oder drei Blenden weiter schliessen. Und schon ist der gewünschte Bildbereich scharf. Die Schärfentiefe wurde erweitert. Aber beim Abblenden wird auch Licht geschluckt. Also muß man auch ein, zwei oder drei Belichtungsstufen länger belichten. Im schlimmsten Fall wird eine Verschlußzeit erforderlich, welche nicht mehr verwacklungsfrei aus freier Hand gehalten werden kann. Das Foto wird unscharf, da es verwackelt. Gut, in solchen Fällen dreht man einfach die ISO höher. Im schlimmsten Fall produziert man so Bildrauschen. Das Foto wird grieselig. Ab wann Bildrauschen eintritt hängt vom Kamerasensor ab. Je höher man mit der ISO geht, desto kräftieres Bildrauschen kann entstehen.
Meist wird es auf eine Art Kompromiss bzw. Mittelwert von Blende, Verschlußzeit und ISO hinauslaufen. Nicht immer wird man mit dem Ergebnis zufrieden sein. In manchen Fällen kann es dennoch passend sein. Wie kann das optimiert werden? Stativ einsetzen? Bei statischen Motiven durchaus eine Lösung. Bei bewegten Motiven oft nicht die beste Möglichkeit. Blitzlicht? Kann auch eine Lösung sein. Licht gekonnt setzen ist allerdings auch keine einfache Angelegenheit. Außer man hat es gelernt. Ein Frontalblitz erzeugt unnatürlich hartes Licht. Ein natürlich wirkender Lichtaufbau erfordert oft zwei bis drei Blitzegeräte und dazu noch einen Diffusor oder Reflektor. Nicht bei jedem Motiv ist diese Möglichkeit anwendbar. Am besten geht das in dieser Form noch im Fotostudio oder bei statischen Motiven.
Will man die maximale Schärfentiefe, müsste man bis zum Anschlag abblenden. Das kann man durchaus. Allerdings werden die Bilder dann sichtbar weicher und unschärfer. Warum unscharf? Weil bei jedem Objektiv, ab einem bestimmten Blendenwert Beugungsunschärfe auftritt. In erster Linie ist die Beugungsunschärfe vom Aufnahmeformat abhängig. Aber auch die Konstruktion und optische Qualität eines Objektives spielen eine Rolle. Je kleiner das Aufnahmeformat ist, desto früher tritt beim Abblenden Beugungsunschärfe ein. Was nützt mir eine durchgehende Schärfentiefe auf dem Foto, wenn es nicht optimal scharf ist? Micht stört das gewaltig, wenn ich weiß, daß es auch schärfer möglich wäre. Vor allem wenn ich die Bilder verkaufen möchte, will ich die maximal mögliche Bildschärfe haben. Sollen die Bilder nur im Internet zur Betrachtung auf einem Monitor oder Display verwendet werden, spielt das nur eine geringe Rolle. Solche Aufnahmen kann man in der Bildbearbeitung optimieren, sodaß es auf Wiedergabegeräten nicht oder kaum erkennbar ist.
Die beste Schärfe hat ein Objektiv mit der förderlichen Blende. Wer weiter abblendet, reduziert die Schärfeleistung. Woher weiß man was die förderliche Blende am Objektiv ist? Wer es genau wissen will, macht Testaufnahmen. Testaufnahmen von einem Testbild oder Millimeterpapier. Immer mit Stativ und Fernauslöser, damit keine Verwacklungsunschärfe entsteht. Bei Spiegelreflexkameras den Spiegel vorher hochklappen. Oder im Live-View mit hochgeklappten Spiegel fotografieren. Wenn das bei deiner Kamera nicht möglich ist, mit Selbstauslöser und Vorlaufzeit fotografieren. Von jedem Blendenwert wird eine Aufnahme gemacht. Alle Bilder werden am Monitor mit 100% Vergrößerung auf die Schärfe geprüft. Meist erreicht ein Objektiv nach zwei bis drei Lichtwerten abgeblendet, seine förderliche Blende. Diese kann noch ein bis drei Blendenwerte anhalten. Bei noch kleineren Blendeneinstellungen (= hoher Blendenwert) sieht man bereits die Unschärfen. Ich habe das bei allen meiner Objektive gemacht und in einer Tabelle notiert. Bei meinen Fuji-Objektiven (APS-C) liegt die förderliche Blende meist zwischen Blende 4 bis 5,6. Bei zwei Objektiven auch bis Blende 8. Bei einigen lichtstarken fängt die förderliche Blende bereits bei Blende 2,8 an. Bei Blende 11 wird meist schon leichte Unschärfe sichtbar. Ab Blende 16 wird es für mich meist unerträglich unscharf. Bei Vollformat-Sensoren kann man oft eine weitere Blende abblenden.
Voll Abblenden ist also meist nicht der beste Weg zu einer größeren Schärfentiefe! Wenn man mit den Unschärfen leben kann, mag das OK sein. Wenn man aber die maximale Schärfe im gewünschten Bildbereich haben will, muß ein anderer Weg das Wunschergebnis bringen.
Schärfentiefe nach Scheimpflug optimieren
Wow, jetzt wird es technisch. Bei Kameras oder Objektiven mit Tilt-Funktion kann man durch Verschwenken des Linsensystems die Schärfenebene verstellen. Dadurch kann man auch die Schärfenebene an die gewünschte stelle eines Motive setzen. So die Theorie. In der Praxis funktoniert das nur, mit passenden Fotogerät und Motiv. Es wird nicht immer über diesen Weg gehen. Erforderlich ist entweder eine Großformatkamera mit Balgen, wo die Schärfeebene verstellt werden kann. Oder für Kameras mit Wechselobjektiven ein passendes Objektiv mit Tilt-Funktion. Wer mehr darüber wissen will, findet genauere Informationen auf Wikipedia. Mir geht es hier nur um die Erwähung dieser Möglichkeit. Großer Nachteil dieser Methode: Umständliche und zeitaufwändige Einstellung. Wechselobjektive mit Tilt-Funktion sind sehr teuer. Neurpreis ca. 1000 – 7000 €.
Focus Stacking für maximale Schärfentiefe
In der digitalen Fotografie erreicht man eine höhere Schärfentiefe mit der förderlichen Blende am besten mit Focus Stacking. Wieder so ein Fremdwort. Leider ist mir kein deutscher Begriff dafür bekannt? Im Prinzip ist das ganz einfach. Man mancht mehrere Einzelaufnahmen, wo die Schärfe sich vom vordersten bis hintersten Motivbereich überlagern. Danach wird aus den Einzelfotos in der Kamera oder am Rechner per Software ein Foto mit der gewünschte Schärfentiefe zusammengerechnet.
Wie funktioniert das? Manche Kameras haben bereits Einstellmöglichkeiten integriert. Die meisten allerdings nicht. Manche Kameras können sogar schon in der Kamera das fertige Bild berechnen. Die meisten Kameras können das allerdings nicht. Auch wenn deine Kamera keine dieser Features hat, kannst du dennoch Focus Stacking machen. Ohne solche Kamerafeatures ist Handarbeit angesagt. Entweder werden die Schärfeschritte über das Objektiv gemacht. Oder man verändert den Aufnahmeabstand der Kamera zum Objekt. Je näher man an ein Motiv geht, desto kleiner müssen die Schritte zwischen den Einzelbildern sein. Um das besser Einschätzen zu können, ist eine Schärfentiefetabelle oder App mit der Schärfentiefe hilfreich. Apps gibt es inzwischen viele, welche auch die Schärfentiefe ermitteln können. Einfach nach Schärfentiefe, DOF oder Hyperfokale Distanz in einem App-Shop suchen.
In den meisten Fällen werden die verschiedenen Einzelaufnahmen am Rechner zu einem Foto mit der gewünschten Schärfentiefe berechnet. Das ist in Photoshop und Affinity Photo möglich. Spezielle, meist bessere Software ist Helicon Focus und Zerene Stacker. Als Freeware gibt es CombineZP und Picolay.
Focus Stacking ist am einfachsten bei statischen Motiven realisierbar. Aber auch für bewegte Motive, wie Insekten, kann man Focus Stacking anwenden. Allerdings ist dafür automatisierbare Fototechnik sehr hilfreich. Damit steigt die Trefferquote enorm. Optimal ist eine Kamera wo Focus Stacking als Funktion integeriert ist und das Objektiv automatisch gesteuert wird. Und wenn die Bildfolge hoch ist, kann man mit Serienbildern sehr gut auch bewegte Motive stacken. Sehr geübte Fotografen machen das sogar aus der freien Hand. Allerdings ist bei Freihand-Aufnahmen die Ausschußquote sehr hoch.
Focus Stacking ist für viele Motive die beste Möglichkeit, um die Schärfentiefe zu erweitern. Allerdings muß man sich in diese Aufnahmetechnik erst einmal einarbeiten. Zudem ist der Bedienkomfort derzeit sehr stark vom Kameramodel abhängig. Derzeit unterstützen ein automatisierbares Focus-Stacking nur wenige teurere Kameras. Ob sich das in der Zukunft ändern wird, hängt von den Kameraherstellern ab. Theoretisch ist es lediglich eine Ergänzung in der kamerainternen Firmware. Bei Fuji, Nikon (Z), Olympus und Panasonic kann man damit sogar das Objektiv automatisch steuern. Allerdings bisher meist nur mit den Objektiven vom jeweiligen Kamerahersteller. In der Praxis eine großartige Erleichterung.
Am Ende hängt die Einsatzmöglichkeit allerdings auch vom Motiv ab. Bis 1:1 mit einem Makroobjektiv vom Kamerahersteller, hat man den maximalen Aufnahmekomfort. Wer noch näher an ein Motiv will, muß dann meist auch auf manuelle Arbeitsweise mit Einstellschlitten oder anderen Hilfsmitteln mit Feintrieb umstellen. Zum Teil gibt es auch programmierbare Einstellschlitten von verschiedenen Herstellern. Diese liegen preislich allerdings bei 500 bis mehreren 1000 €. Manuelle Lösungen sind hier günstiger aber auch zeitaufwändiger.
Schärfentiefe durch kleineren Sensor oder Weitwinkelobjektiv
Durch die Wahl eines Weitwinkelobjektives hat man eine größere Schärfentiefe. Dies wird in vielen Büchern und Internetseiten so kommuniziert. Das mag beim gleichen Aufnahmestandpunkt stimmen. Technisch stimmt diese Aussage allerdings nicht. Wenn man mit einem Weitwinkel den gleichen Bildausschnitt bzw. Abbildungsmaßstab wählt, ist die Schärfentiefe die gleiche wie bei einer anderen Brennweite. Lediglich eine Freistellung wird schwieriger, da der Aufnahmewinkel der Brennweite weiter ist. Zudem ist der perspektivische Eindruck im Hintergrund und auch bei Motiven, wegen der Brennweite, anders. Was hier besser zum Motiv passt, hängt von der gewünschten Bildaussage ab.
Auch ein kleinerer Sensor wird oft mit mehr Schärfentiefe kommuniziert. Bei gleichem Bildausschnitt oder Abbildungsmaßstab und korrigierter Blende, ist dies allerdings meist nicht der Fall. Zudem haben kleinere Sensoren andere Nachteile. Geringeres Auflösungsvermögen und früher eintretendes Bildrauschen und Beugungsunschärfe.
Wann wendet man welche Methode an?
Abblenden tue ich nur bis zum oberen Bereich der förderlichen Blende. Bei meinen Fuji-Makroobjektiven XF 60 mm und XF 80 mm ist das Blende 8. Bereits bei Blende 11 erhalte ich sichtbare Beugungsunschärfe.
Ein Tilt-Objektiv habe ich noch von Nikon. Das 45 mm Objektiv kann ich auch an die Fuji-Kameras adaptieren. Allerdings ist mir die Bedienung meist zu umständlich. Und das Objektiv ist viel größer als die Kameras. Nur für manchen Effekt nutze ich es. Der Bildcharakter wird damit anders als mit herkömmlichen Objektiven.
Im Nahbereich und bis zum Abbildungsmaßstab 1:1 nutze ich meist Focus Stacking. Sowohl Produktaufnahmen im Fotostudio. Als auch Nahaufnahmen im Freien mache ich meist mit der Focus Stacking Automatik der Fuji X-T2. Inzwischen habe ich soviel Übung und Erfahrung, daß die meisten Stacks passen. Zur Sicherheit mache ich meist mehr Aufnahmen als notwendig. Der Fokus wird immer vor dem ersten Schärfepunkt gesetzt, damit dieser auch tatsächlich scharf abgebildet wird. Den Rest mache ich mit Software von Helicon Focus Pro.
Vielen Leuten ist das Focus Stacking noch gar nicht bekannt. Schade. Ohne Focus Stacking sind viele Fotomotive nicht so gut realisierbar. Wer mehr Schärfentiefe braucht, wird mit Focus Stacking die besten Ergebnise erzielen. Selbst bei kleinsten lebenden Insekten, kann in Verbindung mit einer hohen Bildfrequenz auch erfolgreich aus der Hand Focus-Stacking realisiert werden. Für solche Aufnahmen braucht man allerdings einiges an Übung.
Schärfentiefe wird immer ein Thema in der Makrofotografie sein. Ich verwende maximal die förderlichste Blende beim Abblenden. Wenn das nicht ausreicht, erhöhe ich die Schärfentiefe mit Focus Stacking.